Ein Weihnachtslied zu Ostern

Das Weihnachtsfest liegt nun schon einige Monate hinter uns. Oder, je nach Perspektive, noch ein paar Monate vor uns. Jetzt, im April, genießen wir erst einmal die Ankunft des Frühlings. Und doch erinnerte mich ein Text der Herrnhuter Losungen an Weihnachten. Genauer gesagt, an das erste Weihnachtslied der Geschichte.
Wir finden es im Evangelium des Lukas, Kapitel 1, Vers 51: „Er tat Mächtiges mit seinem Arm; er hat zerstreut, die hochmütig sind im Sinn ihres Herzens.“ Diese Worte stammen aus dem Gebet Marias, der Mutter Jesu. Ich erkenne darin ihre große Freude über das wunderbare Handeln Gottes in ihrem Leben. Was war geschehen? Es war noch nicht lange her, dass ein von Gott gesandter Engel Maria mitgeteilt hatte, dass sie schwanger werden wird. Und das, obwohl sie noch nie mit einem Mann zusammen war. Der Engel erklärte ihr, dass der Heilige Geist dieses Kind in ihr zeugen würde. Deshalb wird es heilig sein und Sohn Gottes genannt werden. Was wird danach in ihr vorgegangen sein?
Sie, die junge Frau aus dem kleinen Nazareth, sollte die Mutter des Messias werden – und das auf so außergewöhnliche Weise! Wie sollte sie das erklären? Schließlich war sie bereits mit Josef verlobt. Wie wird sie ihm die Umstände ihrer Schwangerschaft erklären? Würde er ihr glauben oder sich von ihr trennen? Und dann noch das Getuschel in der Nachbarschaft, die heimlichen und abwertenden Blicke. Sie war doch die Einzige, die von diesem geheimnisvollen Geschehen wusste.

Sicher kannte Maria die Schriften und hatte sie von klein auf gelernt. Sie wusste um die vielen alten Verheißungen über den kommenden Messias. Auch von der Ankündigung durch den Propheten Jesaja wusste sie: „Siehe, die Jungfrau hat empfangen und wird Mutter eines Sohnes werden.“ Und jetzt erfuhr sie, dass ausgerechnet sie diese Auserwählte Gottes sein sollte – die Mutter des schon so langen erwarteten Erlösers! Jesaja verkündete Jahrhunderte zuvor: „Der HERR hat seinen heiligen Arm vor den Augen aller Heiden offenbart; und alle Enden der Erde werden das Heil unseres Gottes sehen!“ Derselbe Prophet fragte auch: „Wer hat dem geglaubt, was uns verkündigt wurde?“ Und gleich darauf kündigt er den an, den Maria nun in die Welt bringen soll: Jesus, den Sohn Gottes, den Messias.

An Maria, die doch selbst Erlösung brauchte, hatte der mächtige Arm Gottes gewirkt. Auch Jesus, von Gott gezeugt und von einer Frau geboren, vollbrachte Großes mit seinen Armen. Er segnete damit Menschen und heilte Kranke. Er teilte und vermehrte Brote, machte Blinde sehend und weckte sogar Tote auf. Doch er wusch damit auch den Straßenstaub von den Füßen seiner Jünger.

Bald würde Maria das schreiende Bündel Mensch in ihren Armen halten. Noch wusste sie nicht, dass es einmal ein schreiendes Bündel Mensch auf Golgatha sein würde. Dort breitete Jesus seine machtvollen Arme aus und ließ sich für uns ans Kreuz nageln. Doch damit endete seine Geschichte nicht – er ist auferstanden und mit erhobenen, segnenden Armen in den Himmel aufgefahren. Bis heute ist der Arm des Herrn nicht zu kurz, um zu helfen. Gott hält uns seine Hand zur Versöhnung entgegen. Er will uns helfen und uns von unserer Schuld befreien. Lassen Sie uns seine Hand ergreifen – wir brauchen die Hilfe seines mächtigen Arms!