Abgekapseltes Sterben

In Deutschland starben laut Statistischem Bundesamt 2023 über 10.000 Menschen durch Selbsttötung. Zum Vergleich: Im selben Jahr gab es 2.829 Verkehrstote. Weltweit nehmen sich jährlich etwa 800.000 Menschen das Leben.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Schwere körperliche oder psychische Krankheiten wie Krebs und Depressionen gehören jedoch zu den Hauptursachen. Auch die Überlegung, anderen nicht zur Last zu fallen, kann ein Beweggrund sein.

Seit einigen Jahren nimmt auch das Thema Sterbehilfe in der Gesellschaft einen breiten Raum ein. Trotz einiger Gesetzesänderungen befindet sich in Deutschland aktive Hilfe zum Suizid durch Freunde, Angehörige oder Ärzte in einer rechtlichen Grauzone. Anders in der Schweiz oder den Niederlanden, wo sogenannte "Sterbehilfe-Organisationen" den Wunsch der Selbsttötung assistie-ren. Der Tod wird dabei durch Trinken oder Injizieren einer Giftmischung herbeigeführt.

In einer Zeit, in der technisch immer mehr möglich wird, soll auch selbstbestimmtes Sterben "eleganter" werden. Jedenfalls, wenn es nach dem australischen Arzt und "Sterbehilfe-Aktivisten" Philip Nitschke gehen würde. Er entwickelte eine Kapsel, genannt "Sarco-Pod", (abgeleitet von "Sarkophag"), in die sich der Sterbewillige begibt, und sie von innen hermetisch abriegelt. Per Knopfdruck kann er dann die Zufuhr einer größeren Menge Stickstoff auslösen, was zu einem schnellen Tod führen soll. Nach der Auslösung des Mechanismus soll sich die Kapsel nicht mehr öffnen lassen.
Auf der "Amsterdamer Beerdigungsmesse" 2019 zog das Modell tausende Besucher an. Da es nach Angaben des Entwicklers biologisch abbaubar ist, könnte es auch gleich als Sarg verwendet werden.

Für Juli 2024 plante Nitschke den erstmaligen Gebrauch der Kapsel an einem Menschen in der Schweiz. Daraufhin verboten mehrere Kantone umgehend den praktischen Einsatz. Auch die Organisation "Pegasus" hat den Kontakt zu Nitschke eingestellt, weil ihr die Vermittlungskosten und das Werbegetöse zu viel war. Doch der Erfinder plant schon weiter. Die Bereitstellung von "Sarco" als 3D-Druckvorlage sowie ein im Körper direkt eingebauter "Selbsttötungsknopf" sind bereits im Gespräch.

Ob Idealismus oder das große Geld - die ethischen Fragen werden auf diese Weise nicht beantwortet. Was zum Beispiel wissen Außenstehende über das wirkliche Innenleben eines nicht mehr reagierenden Kranken? Können nicht auch sie auf ihre Art glücklich sein? Auch ohne schwere Krankheit ist das Leben nicht immer einfach und schön! Wie geht es Angehörigen, nachdem sie zum Suizid eines Menschen beigetragen haben? Und nicht zuletzt: wie steht Gott zum Tod durch eigene Hand?
Würde ist ein wichtiger Aspekt im Leben und auch im Sterben. Niemand von uns kann den eigenen Sterbeprozess ausprobieren. Deshalb müssen wir offen dafür sein, dass Sterbende den Übergang in den Tod auf ganz andere Weise empfinden, als es Außen-stehende betrachten können.
Es gibt würdelose Situationen, gerade bei Schwerst- und Demenzkranken. Doch die entstehen meist durch fehlende menschliche Zuneigung, fehlende Zeit und Personalmangel. Deshalb liegt in unserer Gesellschaft noch viel Potenzial für einen würdevollen Übergang in die Ewigkeit.

Aktueller Nachtrag
Am 23.09.2024 kam diese hochumstrittene Suizidkapsel nach Medienangaben im Kanton Schaffhausen das erste Mal zum Einsatz. Eine Person fand darin den Tod.
Bei der Toten handelte es sich um eine 64-jährige Amerikanerin. Der Tod fand unter freiem Himmel, unter einem Baldachin aus Bäumen, in einem privaten Waldstück nahe der schweizerisch-deutschen Grenze statt. Die Frau habe seit vielen Jahren an einer Reihe schwerwiegender Probleme im Zusammenhang mit einer schweren Immunschwäche gelitten.

Fotos v.o.n.u.:
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