(H)Eilige Nacht
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Adventskalender? Als Kind in den 60er Jahren hatte ich Kalender, die wie zwei zusammengeklebte Pappscheiben waren. Darauf ein schönes Bild mit 23 kleinen Fenstern sowie einem großen für den 24. Dezember. Beim Öffnen erschienen weder Süßigkeiten noch kleine Geschenke, sondern einfach nur niedliche, kleine Bilder. Spannend war es trotzdem! Die Adventszeit schien mir jedes Jahr viel zu lang und das Warten auf den Heiligen Abend eine echte Herausforderung.
Heute, als Erwachsener, sehe ich die Zeit des Advents immer noch anders als den Rest des Jahres. Überfüllte Innenstädte, verstopfte Straßen, Dauergeblinker an Fenstern und Balkonen, Geschenke abarbeiten. Und zum Abschluss schnell noch ein paar Grüße über WhatsApp statt handgeschriebener Karten. Alles wie jedes Jahr. "Alle Jahre wieder …"
Gibt es dafür wenigstens überall frohe Menschen mit strahlenden Augen und in bester Weihnachtsstimmung? Nun, davon kann leider keine Rede sein. Der Dezember ist für die meisten von uns der hektischste Monat des Jahres. Mancher Zeitgenosse - ich gehöre auch dazu - ist froh, wenn dann endlich alles vorbei ist.
Wir sind erwachsen geworden; Spannung und Vorfreude sind verflogen. Das frohe Fest gibt uns den Rest! Machen wir vielleicht etwas falsch?
Der evangelische Pfarrer Georg Weissel (1590 - 1635) wurde im Jahr 1623 als erster Pfarrer der Altroßgärter Kirche in Königsberg (Ostpreußen) eingeführt. Anlässlich der Einweihung der neuerbauten Kirche schrieb er das heute sehr bekannte Lied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Grundlage für dieses Lied ist der 24. Psalm, in dem es heißt: "Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!"
David, der Schreiber des Psalms, beginnt ihn mit den Worten: "Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. Denn er hat ihn über den Meeren gegründet und über den Wassern bereitet." Die Erde gehört Gott und auch wir alle, die darauf wohnen. Er hat die Erde den Menschen zur Verwaltung, Gestaltung und Bewahrung übergeben. Doch diesen hohen Stand hat der Mensch durch die Sünde preisgegeben und sichtbar beschädigt.
Nun, nachdem sich der Mensch von Gott losgelöst hat und eigene Wege geht, stellt sich eine grundlegende Frage: "Wer darf auf des HERRN Berg gehen, und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?" Ja, wer darf das jetzt noch? Die Antwort darauf lesen wir gleich in den nächsten Versen: "Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lüge und nicht schwört zum Trug, der wird den Segen vom HERRN empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils."
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, können wir uns da nichts vormachen. Von der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, sind wir unendlich weit entfernt. Doch Gott hat den Kontakt zum "Erdkreis und denen, die darauf wohnen" nie abreißen lassen. Die Schriften fast aller Propheten des Alten Testamentes weisen auf Den hin, der die Sünden der Welt für immer wegnimmt.
Noch ist die Aufforderung "Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!" nur an unsere Herzen gerichtet. Doch nun sind Gerechtigkeit vor Gott, reine Herzen und das Stehen an heiliger Stätte möglich.
Das Opfer Jesu Christi schafft die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Es ist eine Gerechtigkeit, die von innen kommen muss. Wir müssen die Türen und Tore unserer Herzen aufmachen und ihn einziehen lassen!
Auf den Aufruf des göttlichen Herolds, dem König die Tore zu öffnen, folgt die Frage: "Wer ist der König der Ehre?" Die Antwort lautet: "Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit."
Es ist der, der demütig und auf einem Esel reitend, in seine heilige Stadt Jerusalem eingeritten ist, um das für immer gültige Opfer zu bringen. Es genügt nicht, ihm nur ein Türchen unseres Herzens zu öffnen. Er will nicht hineinschlüpfen, sondern empfangen werden.
Jesus kommt erneut, doch nicht mehr auf einem Esel reitend, sondern stark und mächtig im Streit. Er wird sich, wenn er mit seinen himmlischen Heerscharen wiederkommt, nicht durch enge Pforten zwängen. Dort, wo er erwartet und mit Jubel empfangen wird, wird bei seiner Ankunft unbeschreibliche Freude herrschen. Doch auch da, wo man am liebsten Türen und Tore fest verschließen möchte, lässt er sich nicht aufhalten. Die Türen und Tore dieser Welt werden aus den Angeln gehoben, damit der König einziehen kann. Dann wird Gott selbst wieder über seine Erde und ihre Bewohner herrschen.
"Adventus" ist lateinisch und bedeutet Ankunft. Manchmal heißt es auch "Adventus Domini" - "Ankunft des Herrn". Die sichtbare Ankunft Jesu Christi zu unserer endgültigen Erlösung ist die wahre Adventserwartung der Christen. Durch diese wunderbare Hoffnung können wir mutig und in Zuversicht leben. Dann bekommt Advent wieder seine eigentliche und tiefe Bedeutung. Das immer aufs Neue zu erkennen, wünsche ich uns allen.
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