Christen und Krankheit
Jakobus 5,13-16

Selbst im Zeitalter modernster medizinischer Wissenschaft und in der Blütezeit der Pharmaindustrie hat Jakobus 5,13-16 nichts an Aktualität, geschweige denn an biblischer Bedeutung verloren. Im Gegenteil: in der wachsenden endzeitlichen Vernebelung, in der man Freund und Feind fast nicht mehr zu unterscheiden vermag, braucht das Volk Gottes mehr denn je Ermutigung zum Festhalten an den klaren Ordnungen der Heiligen Schrift (Offbarung 14,12). Gott, der Herr, möge es schenken, dass die folgenden Ausführungen dazu eine kleine Hilfe geben können.

Krankheiten und Tod sind sichtbare Folgen des Sündenfalls. Vor dem Ungehorsam des ersten Menschenpaares hat es in der Schöpfung beides nicht gegeben. Adam und Eva lebten vollkommen gesund und vital als Ebenbilder Gottes im Garten Eden. Nach ihrem Ungehorsam erfüllte sich sofort die Mahnung des Herrn: "... denn an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben" (1. Mose 2,17b). Doch der Tod als Folge der Sünde (Römer 6,23) kam nicht allein; er brachte seine Vorboten mit: Krankheit und Schmerz.
Nun wird in manchen Kreisen immer wieder darauf verwiesen, Jesus Christus habe am Kreuz von Golgatha alle Krankheit getragen und deshalb müssten echte Christen heute nicht mehr in Krankheit leben. Was ist auf dieses scheinbare Argument zu entgegnen? Zunächst stimmt, was der Prophet Jesaja Jahrhunderte vor Christi Geburt niedergeschrieben hat: "Jedoch unsere Krankheiten - er hat sie getragen, und unsere Schmerzen - er hat sie auf sich geladen … Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden" (Jesaja 53,4.5). Dennoch ist die o.a. Schlussfolgerung falsch. Jesus hat unsere Krankheiten getragen - aber er hat auch unseren Tod getragen (Hebräer 2,14) und trotzdem müssen wir noch sterben. Seit der Kreuzigung und Auferstehung Jesu sind Millionen Kinder Gottes durch die schmerzvolle Nacht des Todes gegangen, obwohl der Sohn Gottes dem Tod die Macht genommen hat (2. Timotheus 1,10). Und seither haben auch Millionen Kinder Gottes Krankheiten getragen, obwohl sie Jesus am Kreuz bereits getragen hat. Manche haben sich in dieser Krankheitszeit gegen Gottes Führung gesträubt und sind innerlich zurückgegangen. Andere jedoch haben sich vor dem Herrn gebeugt, wurden gesegnet und sind gereinigt, geheiligt, geläutert und gereift aus der Anfechtung hervorgegangen.
Fritz Grünzweig schreibt dazu: "Mit dem ersten Kommen Jesu tut Gott den ersten Schritt und heilt die verborgene Ursache des Übels: Er vergibt Sünde und schenkt Frieden. Mit dem zweiten Kommen tut Gott den zweiten Schritt und hebt auch alle sichtbare Wirkung der Sünde auf: zwischenmenschlichen Unfrieden, Krankheit und Tod".
Gott kann auch heute noch jede Krankheit heilen, Beispiele dafür gibt es viele (siehe auch Infobrief Juli 1996). Das Heil schenkt er jedem, der ihn darum bittet, die leibliche Heilung dagegen während dieser Weltzeit wann und wo es ihm gefällt.

"Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen. Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden. Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist."

Wird ein Christ ernsthaft krank, was soll er dann tun? Wenn er sich entschlossen hat, geistliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, soll er nach der Weisung von Jakobus 5,14 die Ältesten der Gemeinde zum Gebet des Glaubens rufen.
Damit ist in keiner Weise der Arztbesuch abgelehnt. Arztverachtung ist keine Linie des Neuen Testamentes, sondern Praxis unnüchterner Menschen und Gruppen. Jesus Christus hat selbst gesagt: "Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken" (Lukas 5,31). Doch warnt uns die Heilige Schrift im gleichen Atemzug vor der heute weit verbreiteten Arzt-Gläubigkeit (bzw. vor der noch weiter verbreiteten Heilpraktiker- und Homöopathen-Gläubigkeit). Dazu gehört u.a. das mahnende Beispiel des Königs Asa: "Asa erkrankte an seinen Füßen. Seine Krankheit war überaus schwer; aber auch in seiner Krankheit suchte er nicht den Herrn, sondern die Ärzte" (2. Chronik 16,12). Hiskia dagegen suchte den Herrn, und der verlängerte sein todgeweihtes Leben um 15 Jahre (2. Könige 20,1-7). An Gottes Segen ist und bleibt alles gelegen. Krankheit und Gesundheit entscheiden sich an seinem Willen.
Der Heilige Geist macht uns durch Jakobus aufmerksam, dass der Kranke die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen soll. Hier wird eine heilsgeschichtliche Entwicklung deutlich. Im Alten Testament kommt die Gabe der Krankenheilung nur bei herausragenden Persönlichkeiten vor (z.B. Elia, Elisa). Im Neuen Testament heilte Jesus sehr viele Kranke. In den Evangelien wird kein Fall berichtet, wo ein Mensch den Messias um Heilung gebeten hätte und krank geblieben wäre. Als Jesus die Zwölf innerhalb Israels aussandte, salbten diese viele Kranke mit Öl und machten sie gesund (Mk.6,12-13). Der Befehl zur Weltmission enthält ebenfalls den Hinweis auf den Dienst an den Kranken. Das praktizierten dann auch die Apostel. Sie heilten viele Gebrechen in der Kraft des auferstandenen Christus. Mit zunehmendem Aufbau neutestamentlicher Gemeinden verlagerte sich die Krankenfürsorge jedoch mehr und mehr von den Aposteln auf die Ältesten der Gemeinden.

Die Ältesten sollen also vom Kranken gerufen werden. Warum ist das Rufen des Kranken so wichtig? Er selbst soll sich nach der Hilfe des Herrn ausstrecken. Im Reich Gottes gehen wenige Dinge automatisch. Die Kranken sollen die Ältesten der Gemeinde rufen; es muss nicht unbedingt der Pfarrer, Pastor oder Prediger sein. Nach dem Schriftzeugnis des Neuen Testamentes tragen die Ältesten bzw. Aufseher die geistliche Verantwortung für die Gemeinde und damit für jeden einzelnen Gläubigen (Apg.20,17-31; 1.Timotheus 3,1-7; 1. Petrus 5,1-4). Darum sollen sie nach dem Willen Gottes die Ansprechpartner sein, wenn bei den Gläubigen Krankheitsnöte auftreten. In geistlich gesunden Gemeinden gibt es solche Brüder. Sie sollen ohne Zweifel wiedergeboren sein, bewährt im Glauben, mit gutem Ruf, schrifttreu, usw. (Titus 1,5-9). Kurz: gestandene und gereifte Männer, die im Gehorsam und in Hingabe an den Herrn Jesus Christus leben. Mindestens zwei dieser Ältesten sollen gemäß der Bitte des Kranken das biblische Glaubensgebetpraktizieren.
Von dieser Form des Ältestenbesuches müssen wir den allgemeinen Krankenbesuch unterscheiden, dem der Sohn Gottes einen hohen Stellenwert gegeben hat (Mt.25, 36.40.43). Hier haben alle Gläubigen ihre Liebesaufgaben - Diakone, Frauen und Senioren hingegen sogar besondere Dienstmöglichkeiten. Denn oft ist die Vereinsamung ein notvoller Begleitumstand der Krankheit.

Wenn die Ältesten zum Kranken gerufen werden, tun sie im Wesentlichen zwei Dinge: sie beten, und sie salben den Kranken mit Öl.
Bleiben wir zunächst beim Salben mit Öl. Hier ist nicht von der "Letzten Ölung" die Rede. Die Lehre der römisch-katholischen Kirche weicht an dieser Stelle erheblich von der Bibel ab. Gemäß Jakobus 5,13-16 ist das Glaubensgebet der Brüder absolut kein Sakrament. Jeder geistlich qualifizierte Älteste einer neutestamentlichen Gemeinde darf es ausüben. Der Kranke muss auch nicht in Lebensgefahr sein.

Was bedeutet die Salbung mit Öl aber tatsächlich? In der Bibel steht Öl als Sinnbild für den Heiligen Geist. Wilhelm Bracht weist in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Aspekt hin: "In Israel wurde ein Priester oder König zu dem Zwecke gesalbt, dass sein künftiges Leben ganz in Dienste des Herrn stehen sollte. Der Kranke, der heute die Salbung begehrt, muss sich klarmachen, dass er damit ganz bewusst sein künftiges Leben ohne Einschränkung unter die Leitung des Herrn stellt …"
Adolf Schlatter betont mehr den Zeichencharakter des Öls: "Jakobus mahnt die Ältesten, nicht nur das Wort zu verwalten, sondern dem Kranken noch eine andere Hilfe zu bieten, indem sie zu dem Wort ein Zeichen fügen. Sie sollen es ihm durch ein Zeichen sichtbar machen, dass Gott die heilende Macht nicht fehlt, die seine Krankheit zum Leben wenden kann".
Dieser Aspekt verdient es, vertieft zu werden. Gott weiß, wie wir Menschen beschaffen sind. Er kennt unsere fünf Sinne. Und er weiß auch, wie schwer wir geistliche Dinge rein auf sein Wort hin fassen können. Darum hat er uns z.B. auch zum Gedenken an die Erlösungstat Jesu Christi Brot und Wein gegeben. Wenn nun seine geliebten Kinder in großer Leibesschwäche liegen, hat der treue Herr in der Salbung mit Öl eine geistliche Hilfe geschenkt, um diesen wichtigen Vorgang besser fassen zu können. Aber es liegt nicht am Öl; im Notfall geht es auch ohne Öl. Der Schwerpunkt liegt auf dem schlichten Glaubensgebet der Brüder.
Diesem besonderen Gebet sind besondere Verheißungen gegeben: "Das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden" (Jak.5,15). Das Glaubensgebet ist ein festes Vertrauen auf die in der Schrift bezeugten Verheißungen Gottes. Es ist das Gebet von gerechten Brüdern, die gelernt haben, vertrauensvoll und in den Linien der Bibel vor den Thron der Gnade zu treten. Die Ältesten müssen nicht unbedingt die Gnadengabe des Glaubens oder der Heilung (1.Kor.12,9) besitzen; es genügt der Glaube als organisch gewachsene Frucht des Geistes (Gal.5,22).

Der Vater im Himmel hat dem schriftbezogenen Glaubensgebet eine dreifache Verheißung gegeben:
1. "... es wird den Kranken retten …" Das Beten der Brüder ist kein fanatisches Gesundbeten um jeden Preis. Es soll nicht mit Gewalt die äußere Heilung erzielt werden. Somit bezieht sich das Retten - wo Gott will - auf den leiblichen Tod, in jedem Fall aber auf den ewigen Tod.
2. "... und der Herr wird ihn aufrichten …" Sei es durch äußere Linderung oder Heilung, oft sogar bis zur vollkommenen Genesung (dafür gibt es eine große Zahl an Beispielen). Oder sei es ein innerliches Aufgerichtet werden, durch das der Kranke neu die Kraft bekommt, sein Leiden in Geduld und zu Gottes Ehre zu tragen. Manchmal tut der Herr mehr durch Wunden als durch Wunder!
3. "... und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden." Wer seine gesamte Not zusammen mit den Brüdern vor Jesus bringt, dessen Leben wird auch im gesamten in Ordnung gebracht. Biblische Heilung nimmt oft ihren Weg von innen nach außen. Darum muss zuerst der verborgene Schaden geheilt werden. Heute will man vielfach die Wunden heilen, ohne zuerst den Schmutz daraus zu entfernen. Deshalb hat die Aufforderung "Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet" ihre volle Berechtigung.

Vielleicht liegt aber hier auch einer der Gründe, warum Jakobus 5,14-16 heute so wenig praktiziert wird. Wo jedoch Menschen in Grenzsituationen geführt werden, entsteht und wächst immer wieder die Bereitschaft, das Leben vor Gott und Menschen offenzulegen. In seelsorgerlicher Weise ordnet Gottes Wort an, dass die gerufenen Ältesten ebenfalls Sünden bekennen sollen. Zwar müssen die Brüder, die gekommen sind, nicht eine vollständige Lebensbeichte ablegen, aber es muss doch deutlich werden, dass der, der am Bett sitzt, ebenso auf die Vergebung Gottes angewiesen ist, wie der, der im Bett liegt.
Der Dienst der Ältesten nach Jakobus 5,13-16 bestätigt, dass unser Herr der gute Hirte ist. Gerade für die kranken und gebrechlichen Schafe hat er das Glaubensgebet der Brüder als Hilfe eingesetzt. Die Gemeinde Jesu tut heute mehr denn je gut daran, Krankheit biblisch zu betrachten. Weil göttlicher Segen nicht ohne weiteres mit irdischem Wohlergehen gleichgesetzt werden darf, müssen auch Christen mit Krankheiten leben. Und weil Gott, der Herr, ein rechter Vater ist, erzieht er seine Söhne und Töchter sowohl durch Krankheit als auch durch Leiden, auf dass wir an seiner Heiligkeit Teil erlangen.
Gott wird - unter den gegebenen Voraussetzungen - dem Kranken helfen, ihn aufrichten und ihm Sünden vergeben. In welcher Weise, das wollen wir getrost dem überlassen, der nie Gedanken des Leides über uns hat, sondern des Friedens (Jeremia 29,11).

Quelle: Gekürzt aus: "Christ und Krankheit" von Wilfried Plock