Tuvia Grossman und der Polizist,
der ihn rettete

Im Jahr 2000 ging ein Bild durch die Welt, das einen israelischen Polizisten mit einem Gummiknüppel und einen blutüberströmten jungen Mann zeigt. Das Besondere an diesem Foto war, dass die Nachrichtenagentur "Associated Press" (AP) eine falsche Bildunterschrift mitgeliefert hatte. Und so er-schien es in mehreren Zeitungen mit unrichtigen Angaben.
Die Bildunterschrift lautete: "Ein israelischer Polizist und ein Palästinenser auf dem Tempelberg". Doch der angebliche "Palästinenser" war ein jüdischer Student aus den USA, den der Polizist vor einem palästinensischen Mob gerettet hatte. Nachdem das Bild am 30. September 2000 in der "New York Times" erschienen war, meldet sich dessen Vater Aaron Grossman in einem Leserbrief an die AP zu Wort: "Der Palästinenser ist in Wahrheit mein Sohn, Tuvia Grossman, ein jüdischer Student aus Chicago. Er, sowie zwei seiner Freunde, wurden während einer Fahrt durch Jerusalem durch eine Horde palästinensischer Araber aus ihrem Taxi gezerrt und unerbittlich geschlagen und schwer verwundet. Das Bild kann nicht auf dem Tempelberg aufgenommen worden sein, weil es auf dem Tempelberg keine Tankstelle gibt und schon gar keine mit hebräischen Buchstaben, wie die Zapfsäule, die deutlich hinter dem israelischen Soldaten zu sehen ist, der gerade versucht, meinen Sohn vor dem Mob zu schützen."

Grossman erinnerte sich: "Ich dachte, dass ich sterben werde. Ich rief ,Schma Jisrael' (Höre, Israel) und begann mit letzter Kraft, nach oben zu laufen. Eines der letzten Dinge, an die ich mich erinnere, sind die Uniformen von Gideon und seinen Leuten. Da verstand ich, dass es mir gut gehen würde. Dass das der Mann ist, der mich retten wird. Der Held meines Lebens. Sie waren nur fünf, und sie schafften es, die Menge zurückzudrängen." Der Jude wurde ohnmächtig, aber die Polizisten brachten ihn in Sicherheit.
Der Grenzpolizist Gideon Zefadi erzählte später: "Ich sagte meinen Leuten, dass wir die Kontrolle über die Rockefellerkreuzung übernehmen müssen. Als ich dorthin kam, stieß ich auf den Lynchversuch. Ich wusste nicht einmal, ob es ein Araber oder ein Jude war. Ich hob ihn in das Fahrzeug, vergewisserte mich, dass er in Ordnung war, und er kam ins Krankenhaus. Tausende strömten zum Tempelberg, aber wir bekamen die Sache in den Griff. Man hat mich als israelischen Polizisten dargestellt, der kaltblütig auf dem Tempelberg einen jungen Palästinenser umbringt. Dieses Bild wurde in Frankreich auf einem zwölfstöckigen Gebäude veröffentlicht - gegen den Staat Israel."
Infolge des Leserbriefes veröffentlichte die "New York Times" am 4. Oktober 2000 eine Richtigstellung. Doch auch sie enthielt noch nicht die ganze Wahrheit. Tuvia Grossman war darin als "amerikanischer Student in Israel" dargestellt, aber nicht als ein Jude, der von Arabern geschlagen wurde. Die Ortsangabe stimmte noch nicht, der Vorfall wurde weiterhin in die Altstadt verlegt.
Drei Tage später veröffentlichte die amerikanische Tageszeitung eine weitere Richtigstellung, diesmal mit einem längeren Artikel. Nun war Grossman "ein Amerikaner, der an einem jüdischen Seminar in Jerusalem studiert". Weiter schrieb die Zeitung: "Der Vorfall ereignete sich in einem arabischen Viertel von Jerusalem, nicht auf dem Tempelberg oder anderswo in der Altstadt. Der Beamte schwenkte einen Gummiknüppel gegen Palästinenser und forderte sie auf, sich von Herrn Grossman fernzuhalten. Er schlug Herrn Grossman nicht." In Paris wurden die französische Tageszeitung "Libération" und die Nachrichtenagentur AP wegen der Falschdarstellung verurteilt.

Grossman äußerte sich gegenüber der Zeitung "Jerusalem Post" zu der falschen Darstellung in den Medien und der Richtigstellung: "Es war schon zu spät, der Schaden war bereits entstanden." Auf die Frage, wie er sich angesichts des Fotos fühle, antwortete er: "Ärgerlich und wütend sind nicht die Worte, mit denen ich es beschreiben würde. Es ist eher Frustration darüber, dass, obwohl man im Zentrum eines Bildes steht, über das jeder spricht, das Foto eindeutig falsch ist. Aber niemand kümmert sich darum und man kann es nicht ändern."

Von: Elisabeth Hausen (leicht gekürzt)

Mit freundlicher Genehmigung: PRO Medienmagazin, 19. Oktober 2020
https://www.pro-medienmagazin.de/tuvia-grossman-trifft-polizist-der-ihn-rettete/

Fotos: New Yorck Times