Das Leben ist ein Gärungsprozess zwischen Geburt und Tod
(1. Teil)
Diese Worte aus einem Film haben sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt. Schon als Junge, vielleicht gerade einmal 11 oder 12 Jahre alt, beschäftigte mich die Frage nach dem Sinn des Lebens und seinem Ende. Ich kam nicht daran vorbei, über die Endlichkeit des Lebens nachzudenken und mich mit dem Gedanken an den Tod zu befassen. Diese Fragen haben mich in manchen Nächten nicht losgelassen.
In meiner Kindheit bin ich in einfachen Familienverhältnissen aufgewachsen. Es fehlte uns an nichts, aber auch nichts war im Übermaß vorhanden. Wir waren eine ganz normale Durchschnittsfamilie, in der Gott jedoch keine Rolle spielte. Es war merkwürdig - Gott war nie ein Thema bei uns zu Hause. Er wirkte fast wie ein Phantom, manchmal erwähnt von den älteren Leuten im Gespräch. Für uns stellte sich die Frage nach Gott nicht und es gab auch kein Problem mit ihm - er war einfach nicht präsent in unserem Alltag.
Als ich sieben Jahre alt war, erkrankte ich schwer an Meningitis; bekannt auch als Hirnhautentzündung. Ein Jahr später bekam ich diese Krankheit erneut. Sie war gefürchtet, weil sie nicht selten mit schweren Hirnschäden oder gar tödlich endet. Doch davon wusste ich damals noch nichts. Erst, als ein Freund aus meinem Krankenzimmer daran starb, wurde mir das deutlich. Ich habe überlebt und konnte nach sechs Wochen wieder die Schule besuchen. Es war das erste Mal, dass ich mich an Gottes Bewahrung erinnere, auch wenn es mir erst viele Jahre später bewusst wurde.
Einige Zeit später, als ich ganz ruhig im Bett lag, ereignete sich eine sehr merkwürdige Begebenheit, die mir heute noch Gänsehaut bereitet. Plötzlich hörte ich eine Stimme, die klar und deutlich meinen Namen rief. Ich wusste, dass ich allein im Zimmer war und erschrak sehr. Als ich das Licht anschaltete, war jedoch niemand da. Kurz darauf ertönte dieselbe ruhige Stimme erneut und meine Angst stieg mir bis zum Hals. Beim dritten Mal schrie ich mit aller Kraft nach meiner Mutter - sie war sofort bei mir, um mich zu beruhigen. Sie versuchte mir zu erklären, dass es nur ein Traum gewesen war. Obwohl ich bis heute nicht mit Gewissheit sagen kann, was oder wer es war, bin ich sicher: Es war kein Traum! Ich hörte diese Stimme nie wieder.
Ein zweites Erlebnis war wesentlich simpler: Mit ein paar Freunden fragten wir Leute auf der Straße nach ihrem Glauben an Gott - zunächst als Spaß gedacht. Als wir dann eine ältere Frau trafen und ihr dieselbe Frage stellten, antwortete sie einfach "Ja", ohne weitere Erklärungen abzugeben. Das hat mich sehr erstaunt, dass jemand so einfach und frei sagen kann, an Gott zu glauben. Diesen kurzen Austausch habe ich bis heute nicht vergessen.
Diese beiden Erlebnisse ließen in mir eine unbestimmte Ahnung entstehen: Etwas Fremdes und Geheimnisvolles könnte existieren - vielleicht sogar ein Gott? Ich begann, eine Verbindung zwischen diesem mir fremden Wesen und den ewigen Konsequenzen meines Lebens zu erahnen. Allerdings fehlten mir jegliche Informationen über Gott; niemand in meinem Umfeld wusste wirklich darüber Bescheid oder konnte meine Fragen beantworten.
So wandte ich mich dem Humanismus zu. Fasziniert von den Lehren von Marx und Engels suchte ich, meinem Leben einen Sinn zu geben. Doch die Fragen nach meinen persönlichen Problemen und seelischen Nöte blieben weiterhin unbeantwortet. Die Suche nach Antworten ging also weiter - schließlich kaufte ich mir eine Bibel in der Hoffnung, in ihr Antworten zu finden. Aber der erste Teil konnte mich nicht überzeugen und auch der zweite Teil, das Neue Testament, blieb mir fremd. Folglich legte ich sie wieder zur Seite.
In dieser dunklen Zeit griff ich zu einem anderen Buch: "Der Steppenwolf" von Hermann Hesse. Der Mann, der darin beschrieben wird, schien meinem Gemütszustand ähnlich zu sein - eben ein Steppenwolf. Er dachte an Selbstmord und das schien mir auch eine Lösung zu sein. In diesem Spinnennetz aus politischen Illusionen und Mutlosigkeit bis hin zur Depression war meine Seele gefangen. Auch durch übermäßigen Konsum von Alkohol befand ich mich in einer lebensgefährlichen Misere. Hinzu kam eine stetig wachsenden Sorge vor Gott - falls es ihn wirklich geben sollte.
Mit 21 bewarb ich mich um eine neue Arbeitsstelle und wurde sofort angenommen. Es schien wie vorbestimmt zu sein. Denn dort traf ich auf jemanden, wie ich es nie zuvor und danach erlebt habe: Eine Frau mittleren Alters sprach voller Echtheit und Unbefangenheit über Jesus; ihre Worte und Taten bildeten eine spürbare Einheit. Ihre tiefe Freude über das Werk Jesu strahlte regelrecht nach außen.
Gemeinsam besuchten wir eine christliche Gemeinde und zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich von einem lebendigen, persönlichen Gott. Ich wusste sofort: Das ist es! Dieser Jesus, der für mich gestorben ist und mich bedingungslos liebt, berührte mich zutiefst. Endlich fand ich das, wonach ich mich so lange gesehnt hatte: Sinn und Inhalt für mein Leben. Heute bin mir bewusst: Nicht ich suchte Gott, sondern Jesus hat all die Jahre nach mir gesucht und mein Herz lange Zeit auf diesen Moment vorbereitet.
Als ich den Vers aus Römer 8,16 las: "So macht sein Geist uns im Innersten gewiss, dass wir Kinder Gottes sind", konnte ich es nicht erklären, aber ich wusste es tief im Herzen: Mein Platz in der Hölle war jetzt leer! Neue Hoffnung und Freude erfüllten mich. Jesus war keine neutrale Figur mehr für mich, sondern die Beziehung zu ihm brachte Ordnung und Klarheit in meinen Geist und meine Seele. Auch die Bibel war mir kein Geheimnis mehr. Vieles verstand ich damals nicht: Ein Sünder? Ich? Sofort fielen mir viele Namen ein … Fehler hatte ich schon, aber deshalb gleich ein Sünder sein? Gott jedoch hatte Geduld mit mir und half mir, auch das zu erkennen. So öffnete sich mir eine neue Welt des Glaubens. Die Veränderung meines Denkens, die Gott mir schenkte, brachte große Erleichterung: Ich war nicht länger gezwungen, in meinen engen Mustern zu denken. Vielmehr durfte ich jetzt einen neuen Blick auf das Leben werfen - frei und ungebunden. Jesus hat meine inneren Fesseln Stück für Stück gelöst. Ich erlebte Befreiung - auch im Blick auf das Lebensende. Dafür bin ich ihm zutiefst dankbar.
Roberto Tappert
Zum 2. Teil  
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"Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst.
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein."
(Jesaja 43,1)
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