Seid ihr Fundamentalisten?

Diese Frage wurde uns vor einiger Zeit einmal gestellt. Fundamentalismus ist ein in unserer Zeit oft benutzter Begriff. Dabei hat er fast immer einen negativen Beiklang. Er weckt in vielen Menschen die Assoziation zu einer, meist religiösen, Übersteigerung der Autorität bis hin zur Gewaltbereitschaft. Das sind Erscheinungsformen des Glaubens (oder der Politik), die weder neu noch auf eine bestimmte Glaubensrichtung zu begrenzen sind. So taucht auch der Ausdruck „christlicher Fundamentalismus“ gelegentlich in den Medien auf. Das Wort Fundamentalismus selbst ist allerdings erst etwas mehr als einhundert Jahre alt.

Das innere und äußere Abwenden von den Grundaussagen der Bibel ist keine neuzeitliche Erscheinung. Dabei gingen in der Vergangenheit die theologischen Lehren in Europa und den USA unterschiedliche Wege.
Am 20. Januar 1891 hielt der Theologe Charles A. Briggs am Vereinten Theologischen Seminar in New York City seine Antrittsvorlesung. Das Seminar war eine Ausbildungsstätte der presbyterianischen Kirche Amerikas, die ihren Ursprung in der Reformationsbewegung in England, Irland und Schottland hatte. Sie stand in der Tradition der Reformatoren Johannes Calvin (1509-1564) und John Knox (1514-1572).

Bei seiner Antrittsrede vertrat Briggs theologische Standpunkte, die mit der Glaubenshaltung der Kirche unvereinbar waren. Dabei war er natürlich nicht der erste sogenannte Modernist. Aber es war das bis dahin erste öffentliche Bekenntnis zu dieser Lehre an einer Ausbildungsstätte für Pastoren der USA. In Folge breitete sich die Abwendung von den biblischen Aussagen in den Bibelschulen und dadurch auch bei den Leitern der einzelnen Gemeinden immer weiter aus.
Als Reaktion gab die Generalversammlung der Presbyterianischen Kirche im Jahr 1910 eine Erklärung ab, in der die fünf Fundamentalsätze des christlichen Glaubens festgehalten wurden:
1. Die göttliche Inspiration der Heiligen Schrift.
2. Die Jungfrauengeburt.
3. Das stellvertretende Erlösungswerk des Christus.
4. Die leibliche Auferstehung Christi.
5. Die von Jesus bewirkten Wunder.
Diejenigen, die mit dieser Erklärung einverstanden waren und sie annahmen, wurde ab da als Fundamentalisten bezeichnet. Die, die diese Grundsätze nicht bestätigten, nannte man Modernisten oder Liberale. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff Fundamentalismus zwar kennzeichnend, aber im Grund wertneutral zu sehen.

Sind wir nun Fundamentalisten? Wenn man darunter versteht, dass wir andere Meinungen nicht ertragen können, oder unseren Glauben mit Druck durchsetzen wollen, dann ganz sicher nicht. Gott gibt jedem Menschen das Recht, sich frei zu entscheiden.
Nimmt man es aber in der eigentlichen und historischen Bedeutung, dann ist christlicher Fundamentalismus das Festhalten an der wörtlichen Offenbarung Gottes. Dann ist es die bewusste und freiwillige Lebensgestaltung nach den Maßgaben der Heiligen Schrift. Das Stehen auf dem Fundament der wörtlichen Inspiration der Bibel ist so gesehen eine Art von Fundamentalismus. Doch weder Druck noch Zwang, schon gar keine Gewalt, kann das Leben, welches Gott uns in seinem Wort anbietet, bewirken und weitergeben.

Die Beurteilung der Bibel und des christlichen Glaubens hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Gesellschaft stark verändert. Und das nicht, weil es neue historische Erkenntnisse gegeben hätte, sondern wegen einer insgesamt veränderten Einstellung zu Gott und zur Heiligen Schrift. Für uns ist und bleibt die Bibel jedoch göttliche Autorität und somit ein stabiles Fundament unseres Glaubens und Lebens.

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Jesus spricht: Jeder, der zu mir kommt und meine Worte hört und sie tut … ist einem Menschen gleich, der ein Haus baute, welcher grub und vertiefte und den Grund auf den Felsen legte. Als eine Flut kam, schlug der Strom an jenes Haus und vermochte es nicht zu erschüttern, denn es war auf den Felsen gegründet (Lukas 6, 47-48).